Braucht man 2013 noch ein dediziertes Mailprogramm?

Status Quo

Waren es früher Einsteiger und Weniguser, die kein Mailprogramm installierten, nimmt in letzter Zeit die Zahl der Poweruser, die ohne dediziertes Mailprogramm arbyten, deutlich zu. Gleichzeitig kommt es zu einer qualitativen Erosion auf Seiten der Mailprogramme: viele werden nicht mehr weiterentwickelt, dümpeln seit Jahren herum oder bekommen zumindest keine neuen Features mehr spendiert. Es ist schwer geworden, einen richtig guten Mailer unterhalb von Kommunikationszentralen-Boliden wie Outlook oder Evolution zu finden, der aktiv weiterentwickelt wird und frisch wirkt, Die meisten Mailer sehen aus wie Outlook Express vor fast zehn Jahren.

Das Problem

Ich nutze ja seit Jahren Sylpheed – nicht besonders hübsch, tut was er soll, das Adressbuch ist allerdings etwas rudimentär, kann kein HTML (das ist ein Feature!). Der macht schöne Threads, und ich finde in meinem inzwischen auf ungefähr 1GB gewachsenen Mailarchiv nach längerem Suchen auch Älteres und Entlegenes. Tut also, was er soll, allerdings weder besonders schön noch besonders elegant. Im Prinzip hat sich mein Mailhandling seit 1996 nicht verändert, ausser dass ich mit einem deutlich größeren Aufkommen zu tun habe. Alle von mir seitdem verwendeten Clients (Pegasus Mail unter Windows, KMail und Sylpheed unter Linux) verwenden das gleiche Handling. Und das wird mir langsam zu sperrig. Hunderte von hierarchischen Ordnern, Mailarchive, die sich nicht mehr einfach mal auf eine CD wegsichern lassen, Zugriff nur von einem Gerät aus, keine Synchronisation – das muss im Zeitalter des Web 2.0 und des Cloud Computing besser und eleganter gehen.

Die Theorie

Da ich ein ganzes Rudel an Mailaccounts zu verwalten habe, kommt eine einfache Webmaillösung nicht in Frage. Eine eigene Groupware/Serverlösung aufsetzen oder mieten wäre gleichfalls Overkill. Was bleibt, ist Google Mail.

Google Mail kann Mail von beliebigen Mailaccounts importieren und einsammeln, es kann auch über andere Konten versenden (so man es dazu autorisiert), es bietet ein großes durchsuchbares Archiv, Label, stellt Threads sinnvoll dar und kann Signaturen anlegen. Dazu ist es auf jedem internetfähigen Gerät zu gebrauchen.
Grundsätzlich bringt es also all das mit, was man so zum Mailen braucht.

Google Mail
Google Mail

Die Praxis

Das Webinterface von Google Mail ist angenehm zurückhaltend, geradezu minimalistisch. Mails werden übersichtlich angezeigt, das Fenster zum Schreiben ist funktionell und zeigt immer nur das an, was man braucht. Es macht durchaus Spaß, Google Mail zu benutzen, da hat jemand mitgedacht. Das Look and Feel ist irgendwo zwischen Website und Anwendung, wirkt moderner und frischer als die mit Metaphern und Analogien überladenen GUI-Elemente der Mailclients. Angenehm ist auch, Mails immer “dabei” zu haben. Andererseits kann man ohne Internetverbindung nicht mal schnell was nachlesen oder eine Mail vorbereiten, es fehlt ein lokaler Speicher. Es gibt zwar eine “Gmail Offline”-App für Chrome, mit der werde ich aber irgendwie nicht warm. Ein völlig anderes Look and Feel als die Online-Applikation und eine eher unübersichtliche Oberfläche machen wenig Spaß. Ausserdem habe ich auch noch nicht raus, wann und was genau die App offline vorhält.

Fazit

Was tun? Nun, ich bin noch unentschieden und teste erstmal weiter. Sylpheed wird zunächst nicht deinstaliert. Andere Mailclients werden aber auch erstmal nicht installiert, zumal die einzige Neuentwicklung Geary noch in einem sehr frühen Entwicklungsstadium ist und noch nicht einmal die notwendigsten Features komplett funktionieren. Die nächsten Wochen werden es entscheiden: In die Cloud oder back to the 90s … 😉

2 Gedanken zu „Braucht man 2013 noch ein dediziertes Mailprogramm?

  1. HI Frank,
    einen Punkt möchte ich allerdings noch ergänzen, denn auch wenn das Motto lautet “Google ist gut”, hat die Tante von mir schon mehr als genug Daten. Da muss ich nicht auch noch das Paket abrunden, indem ich meine kompletten Emails an einen externen Anbieter auslager.

    Gruß

    Marc

    1. Ja, das ist ohnehin das Grundproblem mit der Cloud. Aber wie sollte man sonst ohne eigene Infrastruktur Zugang von überall haben? Den Mailordner verschlüsselt in die Dropbox und auf jedes Gerät eine Instanz des Mailers? Dann bin ich aber wieder vom OS abhängig … Irgendwie will mir das alles nicht gefallen …

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