Wir sind ja so frei

Liberalismus, die Fahne der Freiheit und der Vernunft?

Kasse
Kasse

Fragt man überzeugte FDP-Anhänger, was ihnen politisch wichtig ist, dann kommt ganz weit vorne der Begriff der Freiheit und seine konkrete Ausgestaltung in Form der Bürgerrechte. Viele sehen in der FDP eine Bürgerrechtspartei, die freien Mensche freies Wirtschaften ermöglichen will. Soweit die Theorie.

In der Praxis hat die Sache mit der freien Wirtschaft einige Haken: Wer nichts hat, dem fehlen die Mittel, mitzumachen. Der muss sich verkaufen – letztendlich seine Freiheit, seine Arbeitskraft, seine Lebenszeit, weil die das Einzige ist, was er anbieten kann. Wer etwas hat, ist da fein raus. Warum aber hat der eine und der andere nicht?

Nun ja, da gibt es verschiedene Gründe, Gern kolportiert wird die Geschichte von denen, die mit eigener Kreativität, Fleiss und Geschick sich hochgearbeitet haben. „Vom Tellerwäscher zum Millionär“ hat es der liberale Held geschafft, mit der Kraft seiner Hände und seines Geistes. Das tatsächlich die Mehrheit hat, weil sie geerbt haben, weil Generationen vorher akkumuliert haben, fällt unter den Tisch.

P1280237Letztendlich sind die Mittel mehr oder weniger zufällig verteilt, Intelligenz und Skrupellosigkeit entscheiden, ob man sie behalten oder sogar vermehren kann und zu welchen Zwecken sie eingesetzt werden. Werden diese Mittel für alle nutzbringend eingesetzt, zum Beispiel dazu, dass Verdienstmöglichkeiten für Leute, die nichts haben, geschaffen werden, ist das reine Glückssache. Werden die Mittel dem Markt entzogen, ist das Pech. Die Politik habe sich da zurückzuhalten, das störe den Markt, der das schon regulieren werde. Wenn jeder seine Interessen verfolge, werde am Ende an jeden gedacht.. Unterschlagen werden dabei immer die unterschiedlichen Ausgangsbedingungen; während der eine alles auf Abruf im Überfluss hat, was er braucht, fehlt dem anderen sogar die Eintrittskarte zu dem Spiel – nämlich gerade in Zeiten, in denen es ein Überangebot an Arbeitskräften gibt. Und diese Situation fördert liberale Politik, in dem sie gegen staatliche Eingriffe, staatliche Transferleistungen und staatlichen Chancenausgleich ist.

Dass einige verhungern, andere ihre Freiheit verkaufen müssen, um zu überleben, damit andere im Wohlstand leben, ist das praktische Ergebnis der Forderung nach Freiheit der Wirtschaft. Frei sind die Besitzenden, der liberale Staat ist so modern wie die antike Demokratie. Dass dabei auch noch unsere natürlichen Ressourcen zerstört und freie Güter privatisiert, also der Allgemeinheit geraubt werden, ist ein weiterer Aspekt.

Wirtschaftspolitisch ist dieser Entwurf also eine ziemliche Katastrophe, aber derzeit die weltweit führende Wirtschaftsform. Will denn eine Mehrheit diese liberale Politik?

It*s my life!
It*s my life!

Schaut man sich die Wahlergebnisse an, sind liberale Parteien eher kleine Parteien. Sie sind aber immer groß genug, dass sie sich anderen als Mehrheitsbeschaffer andienen können. So erpressen sie die Mehrheit für ihre die Gesellschaft zerstörende Wirtschaftspolitik.

Sieht man einmal von der Wirtschaftspolitik ab, tragen Liberale gerne die Bürgerrechtsfahne vor sich her, sehen sich als Wächter individueller Freiheiten. Wenn da was dran sein soll: Wo bitte wart ihr beim Asylrecht, bei der Vorratsdatenspeicherung, beim Demonstrationsrecht? Wo ist euer mutiges Eintreten für die Rechte derer, die anderer Meinung sind? Gefährdet man damit eine Koalition, sagt man vielleicht in einem Nebensatz seine Meinung, winkt dann aber alles mit durch – sonst traut einem ja der Koalitionspartner nach der nächsten Wahl nicht mehr über den Weg. Opportunismus scheint der am meisten förderliche Carakterzug eines Liberalen zu sein. Klar, sich verkaufen ist ja freies Wirtschaften …

Dieses Posting kann im Kontext meiner losen „Parteien vor der Wahl“ – Reihe gelesen werden. Artikel zu den Grünen und zur SPD sind schon veröffentlicht.

Ein Gedanke zu „Wir sind ja so frei

Kommentare sind geschlossen.