Von den Schwierigkeiten, ein “Silver Surfer” zu werden

Wie bekommen wir die, die zu früh geboren sind, um Digital Natives zu sein, souverän ins Netz?

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Das Bild wäre zum Lachen, wenn es nicht so traurig wäre: Gestandene Menschen, die ein Berufsleben erfolgreich durchgestanden, Kinder großgezogen und vielfältige Herausforderungen gemeistert haben, gehen vor einer kleinen Kiste in die Knie und verhalten sich sich wie ängstliche Grundschüler, während ein pubertierender Verwandter oder Bekannter mit aufgeblasenem Ego und profundem Viertel- bis Halbwissen in die Wunder dieser neuen Technologie einführt.

Das kann nicht gut gehen: Das Pubertier ist wahrscheinlich Autodidakt, sein Wissen rudimentär und einseitig, Grundlagen fehlen. Ausserdem kann er zwar einen PC einrichten, tut das aber so, wie er ihn braucht. Jeder Mensch hat individuelle Bedürfnisse an seinen Rechenknecht, wie auch an jede andere Sache.

Hand aufs Herz, würden sie den 17jährigen Nachbarssohn die Musik für ihre Geburtstagsparty aussuchen lassen oder ihren 15jährigen Neffen ihren nächsten Wagen? Ich bezweifle das, aber genau so verhalten sich viele, wenn es um die Anschaffung und Benutzung eines PC geht. Dabei ist ein PC eine individuell auf persönliche Bedürfnisse anpassbare Maschine, die Ihnen genau das bietet, was Sie von ihr wollen. Das beginnt bei der Auswahl der passenden Hardware (des Gerätes und seiner Peripherie) und setzt sich über das Betriebssystem fort bis hin zu den Anwendungsprogrammen.

Woher aber kommt diese Schieflage, die gestandene Lebenspraktiker in nervöse Adepten selbsternannter Magier verwandelt?

Zunächst einmal wecken Werbung und Vermarktung die Illusion, man erwerbe ein perfektes, funktionierendes Produkt, welches intuitiv ohne Aufwand den Zugang zu faszinierenden Möglichkeiten biete. Glückliche Benutzer lümmeln lässig auf dem Sofa oder sitzen entspannt am Schreibtisch und machen augenscheinlich spannende Dinge, von denen uns nur noch die Ausgabe eines bestimmten Geldbetrages trennen würde.

Leider sieht die Realität anders aus.
Statt ein Paket aus Gerät, Software, Installation und Einführung zu verkaufen, werden Geräte mit sparsamstem Zubehör wie Salatköpfe verkauft und der willige Adept ist auf sich allein gestellt. Ein erbarmungsloser Preiskampf verdampft Extras wie gedruckte Handbücher oder Tutorials, auch Beratung, die diesen Namen verdient, findet in den seltensten Fällen statt. Vordergründig werden Geräte nach Äusserlichkeiten verkauft, eine Abstimmung auf den tatsächlichen Bedarf findet kaum statt.

Zuhause beim Einschalten der fabrikneuen Wunderkiste sind Fragen zu beantworten, Entscheidungen zu treffen und es ist vor allen Dingen erst einmal zu warten, bis es dem Rechenknecht gefällt, das Ritual seiner Inbetriebnahme zu absolvieren. Garniert mit etlichen Neustarts sitzt man dann vor einem mehr oder weniger funktionierendem Gerät, mit dem so ohne weitere Informationen erstmal überhaupt nichts anzufangen ist.

Da es kein gedrucktes Handbuch gibt, würde der Zugang zur vorhandenen Hilfe Wissen erfordern, welches noch nicht vorhanden ist. Ein Teufelskreis, der ohne externe Hilfe nicht zu durchbrechen ist.

Spätestens hier verliert der geduldigste Einsteiger die Nerven, und um die Ausgabe nicht sinnlos sein zu lassen, wird Abhilfe gesucht. Naheliegend ist es, den jungen Menschen im Umfeld zu fragen, der scheinbar souverän über das frustrierende Objekt verfügt und es scheinbar virtuos bedient. Unser Nutzer freut sich darauf, das auch bald zu können, zückt Geldbeutel oder bringt Kaffee und Kuchen, und das Jungvolk zieht sich mit warmem Dank bedacht zurück. Kaum mit frischem Mut wieder allein vor der Maschine, klemmt und stottert es an allen Ecken, und die soeben bewunderte Leichtigkeit will sich nicht einstellen. Welche Taste ruft nochmal die Hilfe auf, wo ist dieses Fenster jetzt schon wieder hin, warum ist hier auf einmal alles englisch oder warum tippt die Tastatur nur seltsame Zeichen statt der erwarteten Lettern? Wie kriegt man dies größer, jenes aus dem Weg und wo um alles in der Welt ist nun die eben bearbeitete Datei? Ein hilfloser Blick in die vorher bei der Präsentation des Pubertiers gemachten Notizzettels hilft wenig, man hat ohnehin nur jede dritte Aktion mitbekommen …

Solche oder ähnliche Dramen spielen sich vielfach ab, wenn reifere Menschen neu einen Zugang ins digitale Zeitalter erschließen möchten. Die Frage ist, muss das so sein? Ist diese Frustration unvermeidlich, welche Medien und Mittel wären angemessen, um dem abzuhelfen? Wollen wir diese Generation einfach abkoppeln und im Analogen versauern lassen? Oder gibt es einen bedürfnisgerechten, altersentsprechenden Weg für Menschen am Ende ihres Berufslebens, produktiv mit den neuen Möglichkeiten zu arbeiten?

8 Gedanken zu „Von den Schwierigkeiten, ein “Silver Surfer” zu werden

  1. “Bedürfnisse an seinen Rechenknecht” ist ja mal sowas von gut 😀 Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass es notwendig ist, Wege zu finden, die es älteren Menschen erleichtert, mit Computern umzugehen. Ich kann mir irgendwie garnicht vorstellen, dass die Nachfrage so groß ist. Dass viele Rentner tatsächlich die moderne Welt (ernsthaft) kennen lernen wollen. Der Weg zu unserem Wissen über die digitale Welt ist ja fast vergleichbar mit einem Studium, nur das für uns dieses Studium von Beginn an ein Teil des Alltags war. Das geht halt nicht vonheut auf morgen…

    1. Ich denke, durch den nicht aufzuhaltenden digitalen Wandel werden Menschen an der Schwelle zum Ruhestand wenig Alternativen bleiben. Sowohl der sich immer mehr ausdünnende Einzelfachhandel, die zurückgehende Papierpresse und andere Strukturveränderungen nötigen dazu, Alternativen zu finden. Dazu kommt ja die prinzipielle Attraktivität des Netzes: per Skype die Enkel sehen und sprechen, Końtakte auch bei eingeschränkter Mobilität halten, Menschen mit gleichen Interessen finden – all das kann das Internet bieten.
      Ich halte tatsächlich die technische Hürde für das Problem.

  2. Ich glaube weniger an eine rein technische, sondern eher emotionale Hürde. Werfen wir einen Blick auf die Generation, die mit den Maschinen weiß umzugehen. Das sind nicht 50+ (jedenfalls nicht medienwirksam). Das sind viel jüngere Menschen. Da ist der wahrgenommene Abstand zu groß und ältere Leute verschließen sich dem Neuen dann zu schnell, vor allem wenn sie auch noch in der Geschwindkeit lernen sollen, die sie nicht (mehr) beherrschen.

    Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel.

  3. Interessanter Artikel. Vielleicht könnte ein Programm mit sehr einfacher und überichtlicher Benutzeroberfläche helfen? Bei dem zB alle Installationen automatisch durchgeführt werden. Also in den Standard Programme-Ordner ohne nachzufragen usw.

    1. Ich finde ja nicht, dass die Lösung in Vereinfachung besteht – dann kann man mit dem Dinga ja nicht wieder machen, was man möchte, sondern das, was der “Vereinfacher” vorsieht. Der Weg muss andersherum gehen, indem man ein persönliches Beratuntgspaket schnürt und Kompetenz erzeugt.

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