Am Anfang war ein Konzert
Als wir Dienstag abend die wunderbaren Tiger Lillies im Frankfurter Palmengarten hörten, faszinierte mich in der Sammlung skurriler Instrumente besonders das von Adrian Stout gespielte Theremin.
Ein mysteriöses Gerät
Das Theremin ist ein berührungsfrei gespieltes elektronisches Instrument und mutet geradezu magisch an. Stout erzeugte mit Hand- und Armbewegungen unterschiedlichste Klänge und Effekte und benutzte gelegentlich sogar Gegenstände wie seinen Stehbass zur Beeinflussung des Klanges. Darüber wollte ich mehr erfahren.
Tief in der Geschichte
Die Geschichte des Theremin ist die Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts: eintwickelt in der revolutionären Sowjetunion wurde es zunächst als Instrument der Befreiung der Musik vom Korsett der Noten verstanden, da man damit jeden denkbaren Ton im Frequenzbereich des Instrumentes spielen kann. Trotzdem wurde es zunächst eher für klassische Werke eingesetzt, es wurden meistens Streicherstücke dafür arrangiert. Mit dem kulturellen Backlash in der Sowjetunion verschwand der Erfinder und sein Instrument aus der öffentlichen Wahrnehmung und wurde von Popkultur und Filmindustrie in den 50er Jahren wiederentdeckt. Insbesondere Filmgenres wie Horror und Science Fiction setzten das Theremin gerne als Effektgerät ein.
Steile Kurven
Faszinierend am Theremin ist die Diskrepanz zwischen der Einfachheit der Bedienung und der Schwierigkeit, es zu meistern. Es gibt nur ein akustisches Feedback, keine Kontrolle des Spielens. Jede Bewegung beeinflusst den klang, unterschiedliche Umweltbedingungen wie Temperatur oder Luftfeuchtigkeit desgleichen. Es gibt keine Orientierung, keinen “Startpunkt”, den man sich merken kann. Jedes Spiel erfordert wieder das Einfühlen in die Situation.
Das Gerät
Theremine werden inzwischen wieder hergestellt, unter anderem eines vom Syntesizer-Hersteller Moog (der über das Theremin begann, sich für elektronische Klangerzeugung zu interessieren) und kosten um die 600 € oder als Bausatz um die 400 €. Das ist für einen ernsthaften Interessenten und Musiker sicher nicht zu teuer, ich allerdings bin kein Musiker und will nur spielen ;-).
Selbst bauen?
Ein 1920 erfundenes und seit den 50er Jahren auch von Hobbyisten immer wieder gebautes Gerät scheint ja ideal für eigene Projekte und Versuche zu sein. Im Netz gibt es Anleitungen. Diese liefern Stücklisten, erfordern aber eine spezielle Platine, die dann geätzt werden muss. Vorbereitete Kits konnte ich nicht finden. Ich traue mir zwar kleinere Lötarbeiten zu, vermeide es aber gerne. Einen Bausatz im Preisbereich eines Rasperry Pi hätte ich mir wahrscheinlich gefallen lassen, aber all die, die nicht auf die nirgends zu bekommende Platine setzen, benötigen ein Arduino-Kit oder Ähnliches.
Wieder mal das Allzweckgerät …
Beim Stöbern stieß ich dann auf Emulatoren. Besonders Touchscreen-Geräte eignen sich sehr für die Emulation, da man dem gleitenden berührungslosen Spiel auf dem Touchscreen schon sehr nahe kommt. Eine schöne einfache Android-App ist léon – man stellt ein paar Parameter, verteilt auf zwei Registerkarten, ein und spielt mit dem Finger. Oben ist laut, unter leiser, links tief und rechts hoch. Es gelingen einzelne Töne sowie Glissandi, man kann Warp-Sounds erzeugen. Gerade mein 7″ Tablet bietet eine schöne Spielfläche. Das macht schon Spaß, aber ist ein flüchtiges Vergnügen. Die App bietet keine Möglichkeit des Aufnehmens oder Speicherns, einzig die Einstellungen werden erhalten. Sollte ich jemals etwas zu Stande bringen, was über Geräuscherzeugung hinausgeht, oder Bedarf für Warp-, Phaser- oder Geisterstimmen haben, möchte ich das schon konservieren können.
Wider die Flüchtigkeit
Also muss der PC her. Mit Audacity gibt es einen schönen freien Audiorekorder für alle Betriebssysteme.
Die Verbindung der Kopfhörerbuchse des Tablets mit dem Mikrofoneingang des Rechners ist kein Problem. Man sollte aber das Tablet nicht am Ladekabel hängen haben, das erzeugt zumindest bei meinem Nexus 7 Störgeräusche – dann klingt die Aufnahme wie von einer alten Vinylplatte abgespielt. Ohne Netzkabel ist zwar auch noch ein Rauschen zu hören, dieses ist jedoch herauszufiltern und lässt sich durch optimierte Einstellunge sicher noch reduzieren. Bei Audacity ist wichtig, in den Einstellungen “Software Playthrough” zu aktivieren, sonst hört man nichts von der
Aufnahme (oder man muss das Signal mit einem Adapter vorm PC abgreifen und zusätlich an einen Verstärker/Lautsprecher senden). Dann kann man seine Experimente mitschneiden und sich das Ganze später anhören – oder die erzeugten Sounds anderweitig weiter verwenden.
So konnte ich mich doch noch fast ohne Aufwand einem faszinierenden Gerät nähern – inzwischen dürfte ja fast alles, was die Elektronik hervorgebraucht hat, befriedigend zu emulieren sein.
Ich wurde auf das Theremin durch eine Fernsehsendung aufmerksam. Sehr faszinierendes Gerät. Danke für den geschichtlichen Hintergrund, ich hätte es für ein Gerät der Neuzeit gehalten. Wobei, es wurde ja auch schon für die Melodie von Star Trek verwendet. 🙂